Partizipation: Zwischen Verdrossenheit und Engagement

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Expertise: Politische Partizipation - Zwischen Verdrossenheit und Engagement

Die Vorstudie umfasst neben einem Definitionsvorschlag für politische Partizipation die Beschreibung der zentralen Problemlagen rund um die Input-Legitimität politischer Partizipation und setzt diese in Zusammenhang mit Demokratiequalität.

Es wird das Ausmaß politischer Integration als Partizipationselement untersucht und beschrieben, wer sich in Europa an welchen Formen der PP beteiligen kann bzw. wer ausgeschlossen ist.

Zudem werden Parameter ermittelt, die eine Beteiligung an politischen partizipations Prozessen fördern bzw. behindern und Faktoren individueller Partizipationsbereitschaft werden mit Frustrationseffekten und dem Phänomen der Politikverdrossenheit in Zusammenhang gebracht sowie Modelle und Beispiele der PP beschrieben. 

Auszug:

Die wissenschaftliche Literatur zu PP ist umfassend und nahezu unüberschaubar. Dennoch gibt es gerade in den Themenfeldern/Bereichen der formellen und informellen PP, der konstatierten Politikverdrossenheit und der praktischen Umsetzung von partizipativer Demokratie Forschungsbedarf.

         Effekte des politischen Rechtsrucks auf PP

Vor dem Hintergrund des in ganz Europa feststellbaren Rechtsrucks stellt sich die Frage, inwiefern sich dies in der PP niederschlägt. So hat etwa die Studie von Torcal et al. (2016) ergeben, dass links- orientierte Menschen mehr unter rechten als unter linken Regierungen protestieren, aber auch jene sind, die ebenso unter linken Regierungen häufiger auf die Straße gehen. Angesichts des beobachtbaren starken Zulaufs bei öffentlichen Kundgebungen rechter/rechtsextremer Gruppen (Stichwort: Pegida, AfD, Identitäre) lässt sich fragen, ob dieses Ergebnis von Torcal et al. nach wie vor Gültigkeit hat oder ob durch den allgemeinen politischen Rechtsruck zum einen im Aufwind der Rechten eine Chance der Durchsetzung rechter/rechtsextremer Ideologien gesehen wird und zum anderen die Bekennungsbereitschaft“ gestiegen ist. Beides könnte die Teilnahme an Demonstrationen und an- deren Formen der PP erhöhen. Kurzum:

  • Gibt es empirische Belege dafür, dass sich der Ärger über das vorherrschende politische System bei rechts/rechtsextrem eingestellten Personen in einer Zunahme (in)formeller PP niederschlägt? Und wenn ja, welche Partizipationsformen werden vorzugsweise genutzt?

  • Sind Veränderungen des politischen Verhaltens entlang der politischen Orientierung quanti- tativ feststellbar?

    Zusammenhang von Frustrationseffekten und PP

    Eng mit den eben ausgeführten Fragen zu den Effekten des Rechtsrucks verknüpft ist die Frage nach dem Zusammenhang von Frustrationseffekten und PP. Da dieser bislang noch sehr wenig erforscht ist, bleiben hinsichtlich Politikverdrossenheit und PP viele Fragen offen:

  • Welche Gruppen politikverdrossener Bürger*innen sind es, die sich besonders motiviert oder unmotiviert für PP zeigen?

  • Welche (positiven) Einflüsse haben direkt-demokratische und deliberative Beteiligungsmög- lichkeiten auf Frustrationen im bzw. mit dem Modell repräsentative Demokratie?

  • Welche Effekte zeitigen partizipatorische Aktivitäten, die nicht die gewünschte Veränderung einer bestimmten Policy herbeiführen konnten? Wie können negative Effekte abgefedert werden?

    Good-Practice-Modelle deliberativer PP

    Direkt-demokratische und repräsentative politische Beteiligung sind im Vergleich zu den dialogorientierten Formen weitaus besser erforscht (vgl. Rosenberger/Stadlmair 2014). Paetsch und Reichert (2012) konstatieren ebenfalls einen Mangel an Studien sowie einen Mangel an Erfahrungen in Hin- blick auf Liquid Democracy. Aufschlussreich und instruktiv für das Ziel, PP auszubauen, könnten daher internationale Good-Practice-Modelle deliberativer (und direkt-demokratischer) Partizipation sein. Wie weiter oben konstatiert, stehen die Förderung und der Ausbau partizipativer Demokratie im Spannungsfeld direkt-demokratischer Partizipation, repräsentativer Demokratie und dialogorientierter Öffentlichkeitseinbindung. Es stellen sich daher u. a. folgende Fragen:

  • Wo gibt es international vielversprechende Modelle für eine partizipative Demokratie auf na- tionaler Ebene? Inwiefern können sie im österreichischen Kontext Vorbild sein?

  • Welche Formen von PP sollen auf nationaler Ebene ausgebaut werden, direkte oder deliberative Beteiligungsformen?

  • Welche Formen der PP können die Input- (und Output-)Legitimität am besten steigern?

  • Führt direkt-demokratische und/oder deliberative PP tatsächlich zu faireren Ergebnissen und

    zu mehr sozialer Gerechtigkeit? Wer profitiert also von einem Mehr an PP?

  • Mit welchen Formen gelingt es besser, schwer zu erreichende Gruppen und/oder rechtlich

ausgeschlossene Gruppen in den politischen Prozess zu involvieren?



Und nicht zuletzt, was braucht es, um PP wirksam werden zu lassen? Welche strukturellen Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit die in PP gesetzten Erwartungen und Ziele erfüllt werden?

Eine zukünftige Studie zu diesen Themen/Fragen könnte zum einen eine quantitative Teilauswertung der umfangreichen und regelmäßig durchgeführten Surveys, wie dem European Social Survey (ESS), der European Election Studies (EES) oder dem Eurobarometer (Standardsurveys und Flash Euroba- rometer), im Kontext der politischen Entwicklungen, wie sie sich unter anderem in den verschiede- nen Partizipations- und Demokratieindizes abbilden, durchführen. Die länderübergreifenden Surveys ermöglichen aufgrund der für alle Länder gleichen und über lange Zeiträume gleichbleibenden Fragebatterien Länder-Vergleiche sowie Aufschluss über Veränderungen. Der zweite wesentliche methodische Zugang besteht in der Literaturanalyse sowohl quantitativer als auch qualitativer Studien zur PP. Die Recherche von Good-Practice-Modellen direkt-demokratischer und deliberativer PP würde auf online zugängliche Beschreibungen und Analysen fokussieren, wobei jene detailliert dargestellt werden sollen, die die in dieser Studie identifizierten Problemlagen von PP adressieren und die auf Modelle rekurrieren, die auf nationaler Ebene erprobt wurden.

Der kurze Einblick in die österreichischen Gegebenheiten institutionalisierter (deliberativer) PP hat gezeigt, dass zwar auf regionaler Ebene neue Wege beschritten werden, aber national betrachtet deliberative und direkt-demokratische Beteiligungsformen nahezu inexistent bzw. zahnlos sind. Eine zukünftige Studie könnte Wege aufzeigen, wie der Souverän stärker ins politische Geschehen eingebunden werden kann.

Die ganze Studie können sie hier downloaden:

red/rc